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Sexgedanken

Das wohl am wenigsten überraschende Geständnis des Jahres 2011 (was gerade erst angefangen hat): Ich mag Sex. Ja, ehrlich. Sex ist ja auch was Schönes, jedenfalls wenn man ihn freiwillig macht. Und Sex ist ja auch äußerst gut für die Seele. Das sieht man schon in der Bibel. Im Alten Testament ist Gott ein zorniges Wesen, welches Genozide befiehlt, Kinder von Tieren zerreißen lässt und das Versklaven von Jungfrauen anordnet. Aber gleich am Anfang des Neuen Testaments ändert sich das. Kurzes Schäferstündchen mit der jungen, knackigen Maria, und zack: Liebe deinen Nächsten, halte die andere Wange hin, der Sohn darf mal ein paar Krankheiten und Behinderungen heilen … Gott hatte also mal ordentlich Sex, und schon wurde er viel erträglicher. Allerdings hielt das nicht lange an, in der Offenbarung des Johannes grantelt er ja wieder ganz schön herum.

Wer weiß, wie viele Kriege durch ordentlichen Sex verhindert worden wären? In der Mythologie um den Trojanischen Krieg wurde Paris, der Königssohn Trojas, von den Göttinnen Hera, Athene und Aphrodite gefragt, wer von ihnen die Schönste wäre. Und Paris entschied sich für Aphrodite, weil die ihm Helena versprochen hatte, die schönste Frau der Welt und dummerweise bereits Gattin des spartanischen Königs Menelaos. Aphrodite sorgte dann dafür, dass sich Helena in Paris verliebte, die beiden flohen nach Troja und es begann ein großer Krieg. Ich fasse also zusammen: Bloß weil Paris dicke Eier hatte und gerade keine Freundin da war, die er nach Herzenslust bürsten konnte, war Aphrodite in der Lage, ihn mit dem altgriechischen Äquivalent der Miss Universum zu ködern und so einen zehnjährigen Krieg auszulösen. Andere Konflikte in der menschlichen Geschichte eskalierten vermutlich deswegen, weil die Kontrahenten ihre Männlichkeit anders nicht ausleben konnten. Wahrscheinlich gucken zum Beispiel die Polen auch heute noch nervös, wenn Deutschland oder Russland einen Regierungschef bekommt, der sexuell unausgeglichen aussieht, weil so etwas früher normalerweise in einer polnischen Teilung gipfelte.

Ich bin also durchaus ein Fan des Geschlechtsverkehrs. Warum auch nicht, er gehört schließlich zu einem unserer beiden stärksten Urtriebe: am Leben zu bleiben und sich zu vermehren. Und um uns einen Anreiz zu geben, das zu tun, was für das Vermehren nötig ist, hat die Natur Sex zu so einer spaßigen Aktivität gemacht. Eines kann ich aber nicht verstehen: Warum können so viele Leute Sex nicht einfach genießen, sondern hängen sich die Tatsache, dass sie Sex haben, wie einen Orden an die Brust?

Viel zu oft wird einem vermittelt, dass man ein Versager wäre, wenn man noch keinen Sex hatte. Ich hatte mein erstes Mal mit 21 und kriege dafür gelegentlich noch Kommentare, die andeuten, dass ich als Teenager ja ein ziemlicher Verlierer gewesen sein muss, wenn mich kein Mädchen an sich herangelassen hat. Noch schlimmer sieht es aus, je älter jemand ist, weswegen etwa 40-jährige männliche Jungfrauen als Prämisse für mittelmäßige Komödien dienen können. Aber was geht’s die anderen überhaupt an? Es ist ja sicherlich von einem persönlichen Standpunkt aus schade, wenn jemand noch keine sexuellen Erfahrungen gemacht hat, ebenso wie es schade ist, wenn jemand noch nie in so einer spannenden Stadt wie Tokio war oder wahnsinnig leckeren Schokoladenkuchen gegessen hat. Aber keiner würde so tun, als wären die letztgenannten Erlebnisse ein Ausdruck persönlichen Erfolgs und quasi Pflichtübungen im Leben, um als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu gelten. Es ist okay, Jungfrau zu sein. Es ist nicht okay, jemandem das Gefühl zu geben, dass er sich dafür schämen müsste, Jungfrau zu sein. Und dass 18-Jährige glauben, dass sie irgendwie abnormal wären, weil sie erst nach Erreichen der Volljährigkeit mit jemandem geschlafen haben, ist eigentlich schon ein skandalöser Zustand. Eine derart absurde Haltung gegenüber so einer schönen Sache wie Sex sollte niemandem eingeimpft werden, schließlich setzt das nur unnötig unter Druck.

Am anderen Ende der Skala sind diejenigen, die sich damit rühmen, besonders viel Sex zu haben. Ob nun in Talkshows oder (falls die betreffende Person einigermaßen prominent ist) auf den hinteren Seiten zweifelhafter Wurstblätter: Gelegentlich prahlt irgendwer damit, jeden Abend eine andere Tussi abzuschleppen oder über tausend bzw. zehntausend Frauen flachgelegt zu haben. Und egal wie groß der Name ist, der an dieser Behauptung hängt, mein erster Gedanke ist: „Wow, du hast wohl echt nichts Handfestes in deinem Leben zustande gebracht, wenn du dich an so eine Nichtleistung klammerst.“ Die Fähigkeit, jeden Tag eine andere Frau in die Begattungsstarre zu quatschen oder immer wieder ein paar Groupies zu vögeln, sagt nicht mal etwas darüber aus, wie gut der Sex ist und ob man in der Lage ist, den anderen zu verwöhnen. Insbesondere wenn man immer andere Partner hat, kann man sich nicht einmal darauf berufen, dass man durch andauernde Übung immer besser geworden wäre. Jemand, der sagt, dass er tausend Autos gefahren hat, kann schließlich auch nicht behaupten, dass er deswegen ein genialer Autofahrer wäre – er könnte die Karren ja auch alle gegen einen Baum gelenkt haben. Wer wild herumvögelt, nur um die Zahl der Kerben in seinem Bettpfosten zu erhöhen, knattert nicht mehr für sich, sondern für andere. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das wirklich der Weg zu befriedigendem Sex ist, insbesondere wenn man tatsächlich jeden Abend mit einer anderen Person pennt, die keine Ahnung hat, was man im Bett so richtig geil findet.

Sex sollte man also als das betrachten, was es ist: eine schöne Beschäftigung, keine Pflicht und kein Aushängeschild für den persönlichen Wert einer Person im Ansehen seiner Mitmenschen. Dann macht er ja vielleicht sogar noch mehr Spaß.

Diese Kolumne ist in einer längeren Version im Buch "Mein Weg zur Weltherrschaft - Phase 2" enthalten.

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