Klopfers Web » Texte » Kolumnen » Werbung

Werbung

Wie inzwischen jeder mitbekommen haben dürfte, der nicht erst seit wenigen Jahren auf der Erde weilt, steht das Handeln vieler Menschen im genauen Gegensatz zu dem, was eigentlich bezweckt wird. Ein Paradebeispiel ist die Werbung. Nein, ich rede mal nicht von den unzähligen Werbebannern und nervigen Pop-Ups im Internet. Ich spreche von Fernsehwerbung. Warum zum Teufel gibt es so viele bekloppte Werbespots? Warum werden die Chefs der Werbeagenturen nicht von ihren Kunden an den Gedärmen aufgehängt?

In den letzten Tagen geisterte zum Beispiel eine Becks-Werbung durch das Fernsehen: An einer piefigen kleinen Strandbar tummeln sich allerlei Typen, die einige Wochen lang vor jedem Rasierer geflüchtet sind, und trinken Elefantenpipi aus einer Bierpulle, wobei sie von aufgekratzten Tussis begrabbelt werden. Soll einen das etwa davon überzeugen, dass man für ein paar Monate abseits von Körperhygiene und sexuellen Hemmungen doch gern eine Bierwampe in Kauf nimmt, die man dann wieder in einigen Jahren abtrainieren muss, um bei den Mädels anzukommen, die Alkoholatem für anziehend halten und davon rattig werden?
Das ist fast so große Augenwischerei wie bei Krombacher, wo jeder verkaufte Kasten Gerstensaft einen(!) Quadratmeter Regenwald retten soll und somit im letzten Jahr eine Fläche in der Größe eines mickrigen Dorfes als Lebensraum für einige Waldameisen sicherte. Dem gegenüber stand eine Werbekampagne, die jeden in der Illusion bestärkte, deutscher Alkoholismus würde die ökologische Katastrophe verhindern.
Noch berüchtigter ist ja schon die Kaffee-Werbung, in der ein Vater seiner missratenen Lendenfrucht alles verzeiht und sämtliche Erziehungsgrundsätze über Bord wirft, sobald ihm der Sohn fehlerfrei die Ursprungsländer seiner frisch aufgebrühten Kolonialware herbetet. Fast schon automatisch fragt man sich, ob die Mutter nun wegen ihrem koffeinsüchtigen Mann abgehauen ist oder ob sie sich voller Scham von der Autobahnbrücke stürzte, weil ihr Sohn noch dussliger ist als der Hund, welcher auch immer mal wieder durch die Kulisse streift und die hässlichen Möbel anpieselt.
Dabei ist doch glückliches Familienleben so einfach, wenn man den Werbespots von Knorr und anderen Büchsenfabrikanten glauben darf. Die Mutter sitzt den ganzen Tag zu Hause, und wenn Mann und Kinder nach Hause kommen, bereitet sie gekonnt eine extravagante Schlemmerei aus der Weißblechtrommel. Zärtlich säuselt dann der Mann seiner Angetrauten ins Ohr, dass seine Sekretärin zwar viel besser im Bett sei, aber die kleine Schlampe niemals in der Lage wäre, derart liebevoll eine Nudelsuppe aufzuwärmen. Welch ein Segen. Insbesondere, wenn jetzt noch 50% mehr Gemüse in der Büchse ist. Um es mal klar zu stellen: Wenn ich eine Büchse "Hühner-Nudel-Topf" kaufe, dann erwarte ich in erster Linie Eierteigwaren, die in einer Hühnerbrühe schwimmen. Ich habe keine Lust, mich vorher durch ein Viertelpfund Gemüse zu wühlen, um dann eine bitterlich weinende Nudel zu entdecken, die mich mit tränenerstickter Stimme fragt, wo ihre Kameraden geblieben sind. Zumal ich sehr bezweifle, dass der Inhalt einer Dose wirklich zwei Portionen ergeben soll, wenn man nicht äthiopische Maßstäbe ansetzt.
Eine der bescheuertsten Werbungen überhaupt ist die für "Celebrations", eine Packung von Mini-Schokoriegeln. Eine Horde Weiber guckt sich eine Seifenoper an und flippt begeistert aus, als eine radebrechende Darstellerin ihrem Stecher eine runterhaut. Damit hat die Werbeagentur es tatsächlich geschafft, hundert Jahre Emanzipation in 30 Sekunden wegzuwischen und Frauen als primitiv, laut und total unzurechnungsfähig darzustellen. Kein "was sucht die doofe Kuh sich auch einen Latino", kein "was für eine Schlampe ist eigentlich die Schwester, wenn die den Typen auch flachlegt", und ebenfalls kein "körperliche Gewalt ist aber keine angemessene Reaktion". Stattdessen ein nerviges Jauchzen, gefolgt von einem "wir fressen uns mit Süßkram voll, werden fett und bestrafen die Männerwelt mit unserem Anblick". Sauber. Diese Scheiße kauf ich jedenfalls nicht.
Jedoch ist die Konkurrenz kein Deut besser. Ferrero-Werbungen werden anscheinend von geistig minderbemittelten Affenazubis konzipiert. Schon die "ich erklär allen mal, was ein Jieper ist"-Werbung lässt einen die Palme hochgehen. Für die Werbefritzen: Das heißt Gieper, ihr behämmerten Analphabeten! Noch blöder ist allerdings die mit einem Reimlexikon zusammengeschusterte "Schoko Bons"-Werbung. "Schoko Bons sind klein und rund, mit einem Happs sind die im Mund!" - Setz dich hin und halt das Maul, sonst setzt es was, du dumme Sau!
Nun wäre es ja naiv zu glauben, dass es bescheuerte Werbung nur im Nahrungs- und Genussmittelbereich gäbe. Deswegen möchte ich anregen, dass sich zunächst die Werbefritzen von Vileda einem Drogentest unterziehen. Jeder hat den Spot schon einmal gesehen: Die stellen in einem Café eine Art Superbesen hin und führen sich wie Fox Mulder und Dana Scully auf, sobald ein Gast mit geradezu debilem Bewegungsdrang den Boden säubert, weil es ja sooo einfach geht. Soll das jemanden überzeugen? Kein normaler Mensch wird das Putzen so lieben und derartig freudig erregt bei der Arbeit sein, selbst wenn man ihm danach tabulosen Oralverkehr anbietet.
Das leitet eigentlich ganz hübsch zu den Werbespots auf 9live und DSF über. Ich spreche natürlich von denen, die nachts laufen und für 0190-Nummern werben sollen. Wenn man diese Clips sieht, fragt man sich, an welchem Provinzbahnhof die die ganzen hässlichen Nutten eingesammelt haben, die sich jetzt bemerkenswert abregend in zerwühlten Laken suhlen oder unmotiviert in der Badewanne planschen. Die Kamera zielt auf ein aufgedunsenes Gesicht, welches hin und her wackelt, als würde die dazu gehörende Frau gerade ihre fischige Büchse sauber schrubben. Andere sagen stockend wie beim Laienspielfest der Kindergartenkinder des Beklopptenzoos von Wiesbaden frivole Sprüche auf und ziehen sich dabei den Schlüpfer runter. Manchmal gibt's sogar angedeutete Sexszenen, wobei der männliche, überaus behaarte Hauptdarsteller den Eindruck einer fleischgewordenen Schmierinfektion vermittelt. Alles in allem sind die Clips ungefähr so attraktiv wie ein tödlicher Autobahnunfall und passen daher wunderbar in die deutsche Werbewelt.

Obwohl ich noch nicht einmal einen besonders großen Teil des täglichen Werbeirrsinns hier behandelt habe, dürfte klar sein, was ich von den meisten Werbeschaffenden halte. Und falls es doch mal Beschäftigte in der Werbeindustrie geben sollte, die Verbesserungsvorschläge haben wollen: Stellt euch einfach mal selbst einige Fragen.
Warum sind in Werbespots fast sämtliche Kerle unrasiert, wenn sie gerade irgendwelche Frauen rumkriegen? Warum müssen Kinder bis 8 Jahre prinzipiell lispeln? (Nein, das ist nicht süß!) Wie können sich irgendwelche Twens 200m² große Penthouse-Wohnungen leisten? Warum duschen sich hübsche Frauen mit einem neuen Duschgel prinzipiell in gekachelten biochemischen Labors in der Größe einer Kleinstadt und nicht in einem normalen Badezimmer? Warum soll eine versnobte Bande von Neureichen auf einer Yacht mich davon überzeugen, eine Süßware zu kaufen? Wieso wird Waschmittel immer als total verbessert angepriesen, wenn die Werbung schon in den 80er Jahren behauptete, dass man damit alles klinisch rein kriegt? Wieso ist der Ton prinzipiell um einige Phon lauter als die Sendung, die unterbrochen wurde? (Wenn mir einer ins Ohr brüllt, hab ich ganz wenig Lust, ihm was abzukaufen.) Weshalb muss Nena für Billigschuhe Werbung machen, sind ihr die 99 Luftballons in die Birne gestiegen? Und wieso eigentlich ist Ikea-Werbung besser als der geschmacklose, augenfeindliche Krempel, der bei Ikea verkauft wird?

7
Dir hat's gefallen? Dann erzähl deinen Freunden davon!

Mehr zu lesen:

Thumbnail

Der Blick zurück

Text veröffentlicht im Februar 2007
Ich geb es besser zu: diese Kolumne hat mal wieder das Thema "Nostalgie". Ich hatte schon einmal was darüber... [mehr]
Thumbnail

Emigranten

Text veröffentlicht im März 2008
Wie ich schon häufiger erwähnte, bin ich ein sehr vorsichtiger Mensch, was sich aus meinen zahlreichen Phobien und meiner... [mehr]
Thumbnail

Klopfer und die Verkehrswende

Text veröffentlicht im Juni 2019
Klopfer ist gebeten worden, seine Gedanken zur Verkehrswende aufzuschreiben. Das hat er gemacht. (Und die zur Energiewende gleich dazu.) [mehr]
Thumbnail

Wie kann man Klopfers Web unterstützen?

Text veröffentlicht im November 2017
Klopfer erzählt, wie man helfen kann, Klopfers Web zu erhalten und besser zu machen - sowohl ohne als auch mit Geldeinsatz. [mehr]

Nach oben